Otto Lüning


Biographie

Geboren am 6. März 1818 in Gütersloh als Sohn eines evangelischen Pastors. Nach der Reifeprüfung am Gymnasium in Bielefeld (1834) studierte er in Greifswald Theologie und später Medizin. 1835 setzte er sein Studium in Breslau fort. Gemeinsam mit seinem Bruder Hermann aktive Teilnahme an der burschenschaftlichen Bewegung. 1833 wurde er wegen Stiftung einer politischen Studentenverbindung zu sechs Jahren Festungshaft verurteilt. 1835 Amnestierung. 1839 Promotion zum Dr. med. 1840 ließ er sich als Arzt in Rheda nieder. Hier wurde er bald zur zentralen Persönlichkeit des Rhedaer Kreises, einer lockeren Vereinigung der demokratischen bzw. sozialistischen Bewegung in Deutschland, der u.a. Karl Grün, Moses Heß, Friedrich Engels und Karl Marx angehörten. Er verfasste zwischen 1841 und 1843 eine Reihe zeitkritischer Gedichte, die aus Zensurgründen nur in der Schweiz erscheinen durften. Daraufhin beantragte der westfälische Oberpräsident Ludwig von Vincke eine Untersuchung gegen ihn. Der Prozess zog sich über mehrere Jahre und Instanzen hin. Erst Mitte 1846 endete er mit dem völligen Freispruch. Als Gegenstück zu Bettina von Arnims Dies Buch gehört dem König (1843) veröffentlichte Lüning zur selben Zeit Dies Buch gehört dem Volke, ein sozialkritisches Jahrbuch, das er gemeinsam mit anderen ostwestfälischen Oppositionellen verfasste. Zum Jahreswechsel 1844/1845 Beteiligung an Bestrebungen, eine Vertretung der sozialen Interessen der einheimischen Arbeiter zu organisieren. Der ersten Versammlung in Bielefeld im Januar 1845 folgten etwa 3.000 Menschen, vorwiegend Bauern und Handwerker. Eine weitere Veranstaltung fand 1845 in Rheda statt. Weitere Aktivitäten wurden vom Innenminister unterbunden. Von 1845 bis 1848 war Lüning Herausgeber der den Ideen des „wahren“ Sozialismus verpflichteten Monatsschrift Das Westphälische Dampfboot. Als das Blatt im Januar 1845 in Bielefeld erschien, hatte es unter einem anderen Titel bereits eine kurze, aber bewegte Geschichte hinter sich: Im Jahre 1844 war als Vorläuferin eine Wochenschrift mit dem Namen „Weser-Dampfboot“ an die Öffentlichkeit getreten, die in Rinteln (Kurhessen) redigiert, in Minden (Preußen) verlegt und in Lemgo (Fürstentum Lippe) gedruckt wurde. Diese lokale Streuung der Produktion sollte die für Wochenschriften hinderliche Konzessionspflicht, die die Verbreitung gerade der oppositionellen Blätter erschwerte, unterlaufen. Der Plan mißlang indes. Im September 1844 mußte das „Weser-Dampfboot“ seine Fahrt einstellen. (Frick-Lemmer 1986) In dieser Zeitschrift wurden die sozialen und politischen Missstände der Zeit trotz ständiger Schwierigkeiten mit der Zensur scharf angegriffen. Auch Marx und Engels waren mit Beiträgen vertreten. Als Vorstandsmitglied des kurzlebigen Rhedaer Arbeiterhilfsvereins setzte sich Lüning aktiv für die Interessen der Arbeiterschaft ein. Von 1848 bis 1850 war er gemeinsam mit seinem Schwager Joseph Weydemeyer verantwortlicher Redakteur der in Darmstadt und später in Frankfurt/M. erscheinenden, der äußersten Linken nahestehenden Neuen Deutschen Zeitung. 1850 erfolgte ein Verbot der Zeitung. Ausweisung Lünings wegen „Preßvergehens“. Emigration in die Schweiz. Nach dem Tod seiner Frau 1856 Rückkehr nach Rheda. Seit 1859 war er Mitglied des leitenden Ausschusses des liberalen Deutschen Nationalvereins. 1862 Landtagsmandat für einen Berliner Wahlkreis. Nach der Auflösung des Nationalvereins trat er 1867 der Nationalliberalen Partei bei. Er starb am 19. November 1868 in Rheda.

Von historischer Bedeutung ist vor allem L.s publizistische Tätigkeit im Sinne des „wahren“ Sozialismus, durch die der ostwestfälische Frühsozialismus in fruchtbare, oft auch kritische Verbindung zu anderen sozialistischen Richtungen trat. (NDB)

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Selbstständige Veröffentlichungen

De velamentis medullae spinalis. Breslau 1839. 30S. [Diss.] – Gedichte. Schaffhausen: Brodtmann 1844; Hg. v. Peter Strüber. Rheda-Wiedenbrück: P. Strüber 2000 – postum: Lesebuch. Zusammengestellt von Walter Gödden. Köln: Nyland-Stiftung 2018.  

Herausgabe

Das Westphälische Dampfboot. Eine Monatsschrift. Bielefeld: Helmich 1845-1847; Forts. u.d.T.: Das Westphälische Dampfboot. Wohlstand, Bildung, Freiheit für Alle. Alles für das Volk, Alles durch das Volk! Paderborn: Crüwell 1848 [Red., Hg. und eigene Beitr.] (1846f. SBPK Berlin; 1847f. UB Bonn; 1845-1848 UStB Frankfurt/M.; 1845 ULB Düsseldorf); unveränd. Neudr. der Ausg. 1845-1848. Blashütten/Taunus: Anvermann 1972 (WLMKuK Münster, ULB Münster, SB Trier) – Dies Buch gehört dem Volke. 3 Bde. Bielefeld: Helmich 1845f. 208, 237S. [Slg. von Schriften franz. Sozialisten, bes. Louis Blanc] (ULB Münster, StUB Köln) – Neue deutsche Zeitung. Darmstadt, später: Frankfurt/M. 1848-1850 [mit J. Weydemeyer] – Westfälische Zeitung. Dortmund: Crüwell 1862.

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Unselbstständige Veröffentlichungen in

Dt. Bürgerbuch für 1846. Zweiter Jahrgang. Hg. v. H. Püttmann. Mannheim: Heinrich Hoff 1846, S. 222-245: Die Lage der arbeitenden Klasse in England – Westf. Volkshalle, Feb. 1849: Was ist das deutsche Vaterland [Ged.] – weitere Beitr. in: Westf. Anzeiger 1835-1844; Rhein. Blätter 1842-1849; Der Wandelstern 1844-1848; Heß: Gesellschaftsspiegel 1845f.; Der Wächter an der Saale 1848f.; Unterhaltungsbl. zur neuen fränk. Ztg. 1849 – postum: Freie und Hansestadt Herford. Aus Politik, Wirtschaft und Kultur, aus dem kirchlichen und sozialen Leben in Vergangenheit und Gegenwart. Hg. v. Herforder Verein für Heimatkunde e.V. Herford: Busse 1983, Bd. 2, S. 45-49: Herford im Spiegel der Presse im Jahre 1846. Ein Bericht des Redakteurs Dr. Otto Lüning im Westfälischen Dampfboot.

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Zeitgenössische Zeugnisse

Bahne 1975, S. 130f. – Friedrich Schnacke: Zur Erinnerung an Dr. Otto Lüning, in: Der Wächter, Nr. 141 vom 28.11.1868.

Selbstständige Veröffentlichungen über

H. Brims: Das westphälische Dampfboot. Eine politische Zeitschrift des „wahren“ Sozialismus. Diss. Augsburg 1983 – G. Frick-Lemmer: Das westphälische Dampfboot. Eine radikaldemokratische Zeitung im vormärzlichen Westfalen. Münster: Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Landesbildstelle Westfalen 1986 (Westfalen im Bild. Westfälische Biographien 78) – A. Wesselmann: Das Westphälische Dampfboot. Vier Skizzen und Personenregister. Bielefeld: Aisthesis 2004.

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Unselbstständige Veröffentlichungen über

L.H. Bläute: Das Westfälische Dampfboot und sein Herausgeber Otto Lüning, in: 56. Jahresbericht des Hist. Vereins für die Grafschaft Ravensberg Jg. 1950/1951. Bielefeld 1951, S. 251-268 – K. Koszyk: Das „Dampfboot“ und der Rhedaer Kreis, in: Dortmunder Beitr. zur Zeitungsforschung 2, 1958, S. 1-60 – J. Reulecke: Ein Frühsozialist im „gesegneten Wupperthal“. Aus Otto Lünings „Reisebildern“ von e. Fahrt von Wiedenbrück nach Koblenz 1845, in: Mit Kutsche, Dampfroß, Schwebebahn. Neustadt/Aisch: Schmidt 1984, S. 189-195 – U. Synowski: „Das Westphälische Dampfboot“ (1845-1848) und der Frühsozialismus im ostwestfälischen Raum, in: Westfälische Forschungen 35, 1985, S. 12-26 – J. Sänger: Dr. [Doktor] Otto Lüning. Frühsozialist und Arzt in Rheda, in: Heimat-Jahrbuch Kreis Gütersloh 1990 (1989), S. 38-40 – J. Sänger: Frühsozialisten aus Ostwestfalen und Lippe. Z.B. Dr. Otto Lüning, Rheda, Arzt, in: „Demokratie: unser Weg, Demokratie: unser Ziel!“ Hg. vom Bezirksvorstand der SPD Ostwestfalen-Lippe. Hamburg-Eppendorf 1993, S. 8-18 – G. Wierichs: Zu progressiv für die Provinz? Otto Lüning, der „Rhedaer Kreis“ und das „Westphälische Dampfboot“, in: „Jede Umwälzung trägt den Charakter ihrer Zeit.“ Ostwestfalen-Lippe 1848/49. Regionalhistorische Studien anläßlich der Ausstellung Revolution – Kommunikation – Öffentlichkeit im Historischen Museum Bielefeld, 9. Mai bis 15.August 1999. Hg. von Horst Walter Blanke. Bielefeld 1999, S. 93-120 – A. Wesselmann: Otto Lüning, „Das Westphälische Dampfboot“ und die sozialkritischen Tendenzen der zeitgenössischen Malerei, in: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 2004, H. 1, S. 97-104 – R. Köhne: Otto Lüning und Georg Herwegh. Eine dichterische Beziehung im Vormärz, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 92, 2007, S. 91-108 [Ill.].

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Erwähnungen in

R. Kaeller: Die Konservative Presse in Minden-Ravensberg bis zum Jahre 1866. Minden 1912 – Kannengießer 1923, S. 58f., 121f. [Kurzbiogr.] – Schwering 1930, S. 80 – Von Dichtern und Schriftstellern 1938 – Schulte 1954, S. 231ff. – H. Förder: Marx und Engels am Vorabend der Revolution. Berlin 1960, bes. S. 76f., 86f. – Kool/Krause 1965, S. 659 – J. Sänger: Die Arbeiterbewegung in Rheda vom Rhedaer Kreis bis zur SPD heute. Gütersloh 1975 – Westf. Literaturführer 1992 (Stichw. Gütersloh, Wiedenbrück) – J. Sänger: Der rote Faden. Die Geschichte der Arbeiterbewegung in Rheda-Wiedenbrück. Vom Rhedaer Kreis bis zur SPD heute. Rheda-Wiedenbrück 2014.

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Nachlass/Vorlass

Bestände in Westfalen: StA Bielefeld: Brief an […] Dresel, 13.6.1847; 2 Ged. 1845f. – weitere Autographen in: StLB Dortmund.

Bestände außerhalb von Westfalen: 1. UB Gießen: Brief an Jakob Schaub, Frankfurt/M., 19.9.1850 – 2. UStB Frankfurt/M.: Brief an Friedrich August Finger, 1850 – weitere Autographen in: Nieders. SB/UB Göttingen, Bayer. SB München, UB Bonn, Württ. LB Stuttgart, UB Heidelberg.

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Nachschlagewerke

Kalkoff 1917 – Schulte: Westf. Köpfe, 3. Aufl. 1984 – NDB, Bd. 15, 1987 – von Heydebrand 1983 – Freund 1993 – Dt. biogr. Archiv N.F. Fiche 838, Sp. 5-12 – Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft, Bd. 1, 1999.

GND-Nummer
117297623   Link zu diesem Datensatz in der DNB