Ferdinand Werne


Biographie

Geboren im Sommer 1800 (Tauftermin: 3. August 1800) auf Gut Callenberg in Obercastrop (Castrop-Rauxel) als Sohn eines Richters. Er verlebte seine Kindheit in Recklinghausen und besuchte anschließend von 1812 bis 1819 das Gymnasium Paulinum in Münster. 1819 Beginn des Jurastudiums in Bonn. Gründungsmitglied der Studentenverbindung „Corps Guestphalia“. 1822 brach Werne sein Studium ab, da er sich für den Freiheitskampf der Griechen gegen die Türken begeisterte; 1822/1823 ging er deshalb für einige Zeit nach Griechenland, um aktiv an den Kämpfen gegen die Türken teilzunehmen. Er verweilte u.a. in Tripolizza und Argos. 1823 Rückkehr nach Deutschland, wo er vom frühen Tod seines Vaters erfuhr. Werne nahm nun sein Jurastudium wieder auf und beendete es erfolgreich. Anschließend war er als Referendar bei verschiedenen Gerichtsbehörden tätig. Gegen Ende der 1820er Jahre zudem Studium der Geographie/Naturwissenschaften, u.a. in Heidelberg. 1829 starb seine Mutter. Im Frühjahr 1830 begann er zu reisen. 1836/1837 hielt Werne sich während der Zeit der großen Pest in Konstantinopel auf, wo er vermutlich im diplomatischen Dienst tätig war. 1838 ging er nach Alexandrien. Für kurze Zeit wurde er dort Kanzler bzw. Vizekonsul des preußischen Konsulats. Bald erwachte in ihm wieder der Reisetrieb; er opferte seine Stellung dem Plan, an der von Mehemed Ali Pascha, dem Vicekönig von Aegypten, angeordneten ersten Expedition zur Entdeckung der Quellen des weißen Nils teilzunehmen. So finden wir Ferdinand zunächst als Einsiedler in der Wüste bei Tura, drei Stunden oberhalb Kairo, sich auf jene Expedition vorbereitend. Auch seinen Bruder Josef holte er für die Expedition nach Ägypten, doch beide konnten letztlich aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen; sie gingen nach Khartum (Hauptstadt des Sudans) und begleiteten stattdessen eine andere Expedition ins Landesinnere. Nach dem ergebnislosen Verlauf der ersten Expedition nahm er 1840 an einer zweiten Expedition zur Entdeckung der Nilquellen teil. Werne konnte während dieser Reise zahlreiche Beobachtungen bezüglich Flora und Fauna sowie der dort lebenden Menschen ausführlich niederschreiben und verschiedene Gegenstände und Materialien sammeln. Nach fünf Monaten, im April 1841, musste die Expedition aufgrund des fallenden Wasserstandes und mangelnder Versorgung ebenfalls beendet werden. Kurz nach der Rückkehr starb Wernes Bruder Josef, was für ihn einen schweren Verlust darstellte. Um sich abzulenken, nahm er an einer weiteren Expedition im Osten des Sudans teil. Anschließend, zu Beginn des Jahres 1842, initiierte er die Versendung seiner mittlerweile sehr umfangreichen naturwissenschaftlichen Sammlung. 1844 Rückkehr nach Deutschland. Er zog nach Berlin, wo er vielbeachtete Vorträge über seine Teilnahme an der zweiten Nilexpedition hielt und schriftstellerisch tätig wurde. Kontakt u.a. zu Prof. Carl Ritter. 1854 erlitt Werne einen Schlaganfall, der Lähmungen seiner linken Körperhälfte zur Folge hatte. Von 1856 bis 1859 hielt er sich im Landarmenhaus/Landeskrankenanstalt Geseke bei Paderborn auf. Die Stadt Berlin, wo Ferdinand Bürger geworden ist, will keinen Krüppel anstellen, und da er dort auch aller guten Vorsätze ungeachtet „den verführerischen Kneipen schon als Ruhepunkt für die lahmen Knochen nicht gut ausweichen konnte“, befolgte er den Rat verschiedener in hohen Staatsstellungen befindlicher Freunde, sein „Standquartier auf der Burg Geseke“ zu nehmen. Alexander von Humboldt, Gönner Wernes, wollte dem König die Bitte unterbreiten, Ferdinand Werne ein preußisches Konsulat im Orient zu geben. Aber das sind nur Hoffnungen. Zunächst macht er Exercitien in Paderborn, die ihm wenig zusagen, um dann von einem Pastor nach Geseke abgeholt zu werden. 1856 wurde er wegen Lähmung der linken Lungenhälfte, allgemeiner Hilfsbedürftigkeit und unbemittelt ins dortige Hospital aufgenommen. Nach seiner Entlassung 1859 begab er sich aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes in das Landeskrankenhaus/Landesarmenhaus Benninghausen bei Lippstadt. Trotz seiner Krankheit verfolgte er weiterhin die zeitgenössische Afrika-Forschung und hoffte darauf, seine eigenen Orientforschungen in einem Gesamtwerk veröffentlichen zu können, wozu es jedoch nicht mehr kam. 1867 erlitt er einen erneuten Schlaganfall. 1872 wurde Werne nach Berlin transportiert und dort ins Friedrich-Wilhelm-Hospital aufgenommen, wo er am 2. September 1874 starb. (Zitate nach Fromm 1936; biografische Details nach Koppe)

Ferdinand Werne blieb als Afrikareisender nicht unbekannt. Er gilt als „Entdecker des Quellgebiets des weißen Nils“ (Schulte 1984). Seine Forschungen werden noch heute als wertvoll eingestuft: Trotz mehrfacher Erkrankungen beschrieb Werne in diesen täglichen Eintragungen bis ins Kleinste die Geologie und Morphologie, die Pflanzen- und Tierwelt, das Klima (nach den Tageszeiten registriert), die politischen, religiösen, wirtschaftlichen, kulturellen und sprachlichen Verhältnisse bei den einzelnen Stämmen. Dabei legte er Wert auf eine saubere Methode. […] Werne ließ es darauf ankommen, den Laien zu langweilen, um dem Wissenschaftler desto mehr bieten zu können. (Schulte: Westf. Köpfe, 3. Aufl. 1984) Wernes naturwissenschaftliche und völkerkundliche Sammlungen fanden Eingang in Berliner Museen und den Berliner Botanischen Garten.

Er war befreundet mit August Heinrich Hoffmann von Fallersleben.

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Selbstständige Veröffentlichungen

Expedition zur Entdeckung der Quellen des Weißen Nils (1840/1841). Mit einem Vorw. von C. Ritter. Berlin: Reimer 1848. 543 S. (WLMKuK Münster, Lipp. LB Detmold) – Feldzug von Sennar nach Taka, Basa und Beni-Amer mit besonderem Hinblick auf die Völker von Bellad-Sudan. Stuttgart: zu Guttenberg 1851. 272 S.; Neuaufl. 1860 u.d.T.: Beitrag zur Kunde des Innern von Afrika. Die Völker Ost-Sudans und der Feldzug der Türken von Sennaar nach Taka, Basa und Beni-AmerReise durch Sennaar nach Mandera, Nasub, Cheli im Lande zwischen dem blauen Nil und dem Atbara. Berlin: Duncker 1852. 125 S.

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Unselbstständige Veröffentlichungen in

Allg. Preuß. Ztg., Nr. 204 vom 24.7.1844: Bericht über die Teilnahme an der 2. Expedition zur Entdeckung der Nilquelle [Nachdr. in: C. Ritter: Ein Blick in das Nilquellenland. Vortrag vom 16.3.1844. Berlin 1844] ‒ A. Petermann: Rathschläge und Fragen an die Mitglieder der von Th. v. Heuglin’s Expedition nach Inner-Afrika. Im Auftrag des Comite’s zusammengestellt von A. Petermann. Gotha: J. Perthes 1861: Notizen für die v. Heuglin’sche Expedition (Ausrüstung, Erforschungs-Route u.s.w.).

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Briefe

Brief des Verlags Cotta an Ferdinand Werne vom 01.09.1844 (DLA Marbach) ‒ Zwei Briefe Ferdinand Wernes an August Heinrich Hoffmann zu Fallersleben vom 21.11.1855 und vom 24.06.1862 (Nachlass August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Handschriftenabteilung der Berliner Staatsbibliothek) ‒ Brief Ferdinand Wernes an den Verlag Cotta vom 25.08.1862 (DLA Marbach) ‒ Brief Ferdinand Wernes an August Heinrich Petermann vom 02.07.1863 (Stadt- und Landesbibliothek Dortmund).

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Selbstständige Veröffentlichungen über

A. Henn: Reisen in vergangene Gegenwart. Geschichte und Geschichtlichkeit der Nicht-Europäer im Denken des 19. Jahrhunderts. Die Erforschung des Sudan. Berlin 1988. (= Mainzer Ethnologica 3).

Unselbstständige Veröffentlichungen über

J. Fromm: Ferdinand und Josef Werne, in: Vest. Zeitschr. 43, 1936, S. 92f. [mit Bildn.] – W. Koppe: „Verlassen von Freunden und bornirten Verwandten, welche mich einen Vagabunden nennen“. Der Afrika-Forscher Ferdinand Werne wurde auf dem Gut Callenberg in Castrop geboren, in: Kultur und Heimat, 71. Jg., Castrop-Rauxel 2020, S. 14-50 – W. Koppe: Ferdinand Werne 1800-1874 (Teil 1). Vom Recklinghäuser Emscherbruch zu den Ufern des Weißen Nils, in: Vestischer Kalender, 91. Jg., 2020, S. 244-253 – W. Koppe: Ferdinand Werne 1800-1874 (Teil 2). Vom Diplomaten zum Abenteurer und Erforscher des Gebietes der Nilquellen, in: Vestischer Kalender, 92. Jg., 2021, S. 147-163 ­– W. Koppe: Ferdinand Werne 1800-1974 (Teil 3). Vom Afrika-Forscher zum international anerkannten wissenschaftlichen Autor, in: Vestischer Kalender, 93. Jg., 2022, S. 85-97 – W. Koppe: Das schwierige Leben des Afrikaforschers Ferdinand Werne, in: Westfälische Forschungen 72, 2022, S. 237-259 – W. Koppe: Ferdinand Werne 1800-1874 (Teil 4). Vom international anerkannten wissenschaftlichen Autor zum fast vergessenen Almosenempfänger, in: Vestischer Kalender, 94. Jg., 2023, S. 56-65.

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Bildnis

Porträt (StLB Dortmund) [Abb. in: Fromm 1936, s.o.].

Nachlass/Vorlass

Bestände in Westfalen: 1. StLB Dortmund: Brief, s. Autographenkatalog Dortmund 1962, S. 366 – 2. StLB Münster: Brief an Dr. August Petermann, Benninghausen, 30.6.1863.

Bestände außerhalb von Westfalen: 1. DLA Marbach: 1 Karte an Hermann Sudermann, Dortmund, 18.3.1900; an Georg von Cotta, Benninghausen, 1.8.1862; Cotta an Werne, 25.8.1862.

Nachschlagewerke

Embacher 1882 – Schulte: Westf. Köpfe, 3. Aufl. 1984 [mit Bildn.] – Dt. biogr. Archiv, Fiche 1353, Sp. 369.

GND-Nummer
117296813   Link zu diesem Datensatz in der DNB